Ca. 70 Tage ist es her, dass ich meinen Rechner schnappte und vom Büro ins heimische Wohnzimmer zog. 6 Wochen Homeoffice … what the fuck?! Ernsthaft? Das ist ewig!
6 Wochen! Das sind 1,5 Monate … Ende April war gefühlt eine Unendlichkeit weit weg. Mittlerweile sind es fast 11 Wochen … ca. 70 Tage … fast 20% vom Jahr 2020. Liefen die ersten 3 Wochen noch locker flockig vorweg, hinken die restlichen nun mit einem gebrochenen Bein und diversen Stürzen hinterher.
Meine „to do“ Listen sind zu „I don’t give a fuck“ Listen digitiert
und meine Vorsätze… joa was soll ich sagen?! Vorsätze?! Auf die scheiße ich schon an Silvester, wie will ich das denn mitten im Jahr auf die Kette bekommen? „Wie geht es dir?“, „Was machst du so?“, „Hattet ihr ein schönes Wochenende?“...
Ganz ehrlich … keine Ahnung. Ich weiß es nicht! Ich weiß nicht wie es mir geht, ich weiß nicht was ich mache. Was ich machen soll, was ich machen werde. Mein Wochenende war da … ging vorbei, zeigte mir den Mittelfinger und verschwand.
Auf meiner Brust sitzt ein riesiger Schweinehund. Er sitzt da und versucht mich am Boden zu halten. Er ist wie das Teufelchen auf der Schulter. Nur größer und fetter.
Er hemmt meine Motivation, meine Ideen, meine Energie… er flüstert mir fiese Dinge ins Ohr:
„Genieß die freie Zeit! Du hast schon genug Stress!“
„Man kann doch eh nichts machen, leg dich nochmal hin!“
„Wecker stellen? Brauchst du nicht. Wozu?“
„Yoga? Musst du nicht machen, gönn’ dir mal Ruhe!“
Und was soll ich sagen… ich mag die Dinge die er mir sagt :-D
Ich stelle es natürlich auch nicht in Frage oder denke eine Minute länger darüber nach.
Und das eigentlich Schlimme daran ist … ich weiß es! Mir ist das zu 100 % bewusst.
Also Leute ist es Zeit den Arsch hochzubekomme! Nun brauche ich für so einen Entschluss immer einen imaginären Start, einen Nullpunkt, einen Filmklappe die fällt. Das kann ein „ab Montag“ oder ein „nach dem Urlaub“ sein. Ja so schaffe ich es mich selbst zu verarschen :-D Aber egal, so lange es funktioniert. Gut das jetzt eine Hand voll verlängerte Wochenende anstehen … so kann ich meinen Schweinehund vielleicht an der Leine nehmen und ihn vorerst am Standstreifen aussetzen … mal schauen wie lange er da bleibt.
Und das ist nur das Thema Motivation. Dazu kommt eine Wagenladung Gedanken zu allem und jedem. Zum Job, zur Familie, zur Zukunft, zur Gesellschaft, zur Welt. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll und fühle mich ohnmächtig.
Ich ertappe mich immer wieder dabei, darüber nachzudenken ob das was ich mache richtig ist. Ob es gut ist. Ob es gut für mich ist.
Ich ertappe mich dabei meinen Job in Frage zu stellen und die Prioritäten die man bisher gesetzt hat.
Da sitze ich zu Hause und diskutiere darüber, wie man mehr Autos verkaufen kann. Wie man den Leuten „das Geld aus der Tasche zieht“. Ich weiß das klingt dramatisch … ist aber in Zeiten einer Pandemie durchaus nachvollziehbar oder?
Ich denke darüber nach, ob ich mit einem anderen Job mehr für die Gesellschaft tun könnte – ob ich „systemrelevant“ sein möchte. Ich denke über das Verhalten der Menschen nach, die sich zu Heerscharen wieder in Parks und auf Spielplätzen tummeln. Ich denke darüber nach, wann wohl der Punkt kommt das „alles wieder normal ist“. Ich denke darüber nach was parallel in der Gesellschaft passiert und frage mich ob wir uns wirklich alle weiter entwickeln.
Ich habe das Gefühl das sich die Gesellschaft gerade in zwei große Lager spaltet.
Die einen entwickeln sich weiter, die anderen scheinen eher wieder den Rückzug anzutreten.
Schau ich mir Kommentare und Nachrichten in sozialen Netzwerken an oder werfe gar einen Blick rüber zur Politik, bin ich schockiert.
Nun bewege ich mich beispielsweise auf Instagram in unglaublich toleranten, aufgeschlossenen, starken und positiven Communities. (Zumindest empfinde ich das so.) Wir reden über Selbstliebe und Toleranz. Geben Tipps und helfen uns nicht nur gegenseitig, sondern auch anderen. Wir feiern uns, um unser Selbst Willen und akzeptieren uns so wie wir sind. Wir präsentieren stolz unsere #nofilter Bilder, verteilen Liebe und Komplimente und knüpfen immer wieder neue inspirierende Verbindungen, ja sogar Freundschaften. Ein Leben in Harmonie und Einklang - eine rosarote Bubble, die mir das Gefühl gibt - die Menschheit ist auf einem guten Weg.
Und dann gibt es 15 min Sendezeit von Yoko und Klaas, beleidigende Kommentare unter Beiträgen - Homophobie, Mobbing, Fatshaming, Rassismus & Co. die einem „die andere Seite“ aufzeigen. So richtig wurde es mir vor Augen geführt, als die wundervolle @roxana.konfetti für einen Tag den RTL Account auf Instagram übernommen hat. Da trafen nun gefühlt zwei Welten aufeinander. Gut und Böse, schwarz und weiß, Liebe und Hass. Und was soll ich sagen, ich war schockiert.
Jetzt bin ich niemand der naiv durchs Leben läuft und alles durch die rosarote Brille betrachtet, aber die Bösartigkeit und dieser Hass verstörte mich doch sehr. Ich fühlte mich teilweise selber angegriffen und hatte das Bedürfnis Partei ergreifen zu müssen, obwohl es nicht mal um meine eigene Person ging. Schweren Herzens habe ich mich aus den Kommentaren rausgehalten, habe den Verlauf des Tages auf diesem Account bewusst gemieden, um nicht wütend zu werden. Um mich nicht auf das gleiche Niveau herabzulassen und unsachlich und beleidigend auf diese Vielzahl an Unverschämtheiten zu reagieren. Und nochmal: es betraf nicht mal meine eigene Person. Wie also fühlen sich dann die Betroffenen, die jeden Tag diesen Dingen ausgesetzt sind?! Ich kann es nur schwer nachvollziehen.
Und das ist nur eines von unzähligen Beispielen die ich hier bringen könnte. Wird es mehr? Hat sich nichts geändert in den letzten Jahren? Wird es schlimmer? Sicher gab es das Früher auch schon, sicher nur auf einem anderen Weg und nicht auf dem Präsentierteller der Insta-Stories und öffentlichen Accounts.
Verrückte traurige Welt … aber wisst ihr, so lange es diese kleine rosarote Bubble gibt in der ich mich aufhalte und sehe das sie von Tag zu Tag zu wachsen scheint habe ich Hoffnung. Hoffnung das vielleicht doch nochmal irgendwann jeder so leben kann wie er möchte – ohne Verurteilung oder Diskriminierung.
Okay WOW!!! Vom Hundertsten ins Tausendste kommen? Kann ich!
Spiegelt aber ganz gut wieder, was gerade in meinem kleinen verwirrten Kopf so los ist.
Das alles niederzuschreiben tut verdammt gut, egal ob es jemand liest oder nicht - es hilft.
Vorgenommen habe ich mir tatsächlich monatlich ein Resümee für mich zu ziehen. Eine Art virtuelles Tagebuch. Ob es immer so ausufernde romanähnliche Züge annehmen wird … keine Ahnung :-) Mal schauen was so in den nächsten Wochen passiert. Mal sehen ob sich das Gedankenkarussell auflöst und was die Welt so für mich bereithält.
Ich halte mich (euch) auf dem Laufenden!
Over & Out!
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